Zitronentaktik

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8. Spieltag/ 11.09.2015

SV Stuttgarter Kickers vs. 1. FC Magdeburg 1:0

Zuschauer: 6.270

1:0 Braun (37.)

 

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Da sind sie wieder. Der einstige Europapokal der Pokalsieger -Gewinner meldet sich nach über 20 Jahren Abstinenz im deutschen Profifußball zurück. 1974 gelang den Magdeburgern der größte Triumph einer DDR-Vereinsmannschaft, als im Finale von Rotterdam – vor sagenhaften und nie unterbotenen 4.641 Zuschauern – der favorisierte AC Mailand mit 2:0 bezwungen wurde. Die Mailänder ließen ihre Fahnen im Feuer verglühen und die neuen Sterne des Ost-Fußballs wandelten in schneeweißen Bademänteln aus sozialischer Obertrikotagen-Produktion wie auf Wolken durchs Feijenoord-Stadion. Mit dabei auch Jürgen Sparwasser, dem sechs Wochen später ein geschichtsträchtige Tor gelang. Noch nicht dabei war Joachim Streich, der erst 1975 von Hansa Rostock zum 1.FC Magdeburg wechselte. Die Fußball-Legende mit den meisten Länderspielen (102), den meisten Länderspieltoren (55), den meisten DDR-Oberliga-Toren (229) vergeigte dafür am letzten Spieltag der Spielzeit 1974/75 den Klassenerhalt der Hanseaten. Wie? Er verschoss einen Elfmeter, Hansa stieg ab und Streich musste sich einen anderen Oberliga-Verein suchen.

 

Wunderbare Überleitung zum heutigen Spieltag: Elfmeter-Fehlschuss. Als Enzo den Elfmeter nicht wie gewohnt in die Maschen, sondern in den Waldauer Himmel kanoniert, stand es zum Glück schon Einsnull. Vom Abstieg sind die Blauen weit entfernt und in diesem Spiel hatte ich trotz des knappen Resultats nicht eine Sekunde Zweifel am Heimsieg. Waren ja auch nicht Streich und Sparwasser oder Wolfgang Seguin oder Dirk Stahmann oder Wolfgang „Maxe“  Steinbach oder Dirk Heyne zu bezwingen, noch nicht mal Maik Franz (genau der KSC-Maik Franz) oder Dirk Schuster (genau der: Ex-Kickers-Trainer) oder fast Weltmeister Marcel Schmelzer. Die heutigen Magdeburger zeigten wenig von dem, was sie in den vorangegangenen sieben Spieltagen ausgezeichnet hatte – aggressives und schnelles (Konter)spiel. Mit anderen Worten: Die Kickers hatten die Gäste gut im Griff.

 

Mit der Zitronentaktik fiel dann zumindest das verdiente Führungstor nach bewährtem Muster: Lhadji geht außen durch, flankt und in der Mitte verwertet der Abnehmer – in diesem Fall Sandrino Braun - was nicht nur auf dem Platz vor mir – aber dort besonders – zu überbordender Freude führte. Der Begriff „Zitronentaktik“ hat noch keinen Eingang in den allgemeinen fußballtaktischen Sprachgebrauch gefunden und ist deshalb wohl erklärungsbedürftig. Bildlich gesprochen: Ich quetsche solange bis der Saft rauskommt. Aufs Spiel übertragen: die Mannschaft mit den überdeutlichen Spielanteilen berennt und belagert den Gegner solange, bis – trotz mehrerer Abwehrketten – das Tor fällt.

 

Nach dem Seitenwechsel kommt endlich sowas wie Spielfluss auf beiden Seiten auf. Torwart Sattelmaier reagiert in der 57. Spielminute aus kurzer Distanz überragend.  Als nach knapp 60 Minuten das Notbremse-Foul an Berko mit Rot geahndet wurde, hofften alle, dass nicht hinterher wieder die alte Weisheit bemüht werden muss, wonach  „man sich gegen zehn Mann schwerer tat, als gegen elf“. Wirklich spektakuläres ereignet sich nicht mehr, auch weil Schiedsrichter Dietz auf keine der Magdeburger Forderungen nach einem eigenen Strafstoß eingeht. Letztlich reicht den Blauen der Vorsprung und ein weiterer Heimsieg ist bei schöner Flutlichtatmosphäre eingefahren.  


Wow!
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