was für ein schöner Schäferhund*

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2. Spieltag/ 02.08.2014

Stuttgarter Kickers vs. SSV Jahn Regensburg 3:1

Zuschauer: 2.765

0:1 Aosman (10.)

1:1 Stein (26.)

2:1 Badiane (28.)

3:1 Braun (81.)


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Ein Regenguss hatte uns den großstädtischen Staub vom Auto gewaschen. Willkommen in Reutlingen. Ganz schön grün hier, fast wie daheim auf der Waldau. Es erwartete uns eine Bezirkssportanlage, mit einer um drei Klassen zu mächtig ausgefallenen Haupttribüne.

 

Der Platz ist aus einer typischen Haupttribünenperspektive zu betrachten. Wie bei der WM, nur live. Die Kickers kriegen die Partie auch irgendwann in den Griff und gehen sogar in Führung. Abseits des Geschehens bahnte sich etwas an.

 

Mit meiner gelben Weste mach ich ganz schön was her. Security Service. Mit eigener Nummer. Guck hier: 673. Das ist wichtig, falls sich jemand beschweren will. Daran muss ich denken, das gehört zum Service. Man, an was ich alles denken muss. Zum Glück ist mein Revier übersichtlich. Was hat Günther gesagt? „Klare Ansagen, freundlich, aber bestimmt.“ OK, OK ich diskutiere nicht lange. Ich sag´s einmal und dann … und wenn nicht dann. Kann nicht so schwer sein. Meine Weste ist so schön, nur bisschen warm bei dem Wetter. Und ein schönes Revier habe ich hier oben. Nicht so mittendrin, schön übersichtlich. Ich könnte sogar das Spiel verfolgen, aber Günther meinte, dafür werden wir nicht bezahlt. Hat er recht und Fußball interessiert mich auch nicht so. Das Geld werde ich sparen und dann schön nach Griechenland in die Sonne. Aber erst mal meinen Fluchtweg freihalten. 20 Meter nach links, bis zum Pfeiler, einen Meter breit. Ein Fluchtweg aus dem Block. Günther meinte, es wäre wichtig genau darauf zu achten. Sicherheit geht über alles. „Freihalten! Immer! Nichts darf ihn blockieren!“ OK, OK habe ich verstanden. Komische Leute da unten, stehen die ganze Zeit auf der Treppe. Aber das ist nicht mein Revier, das geht mich nichts an. Günther meinte auch, jeder hat seine Aufgabe. Vielleicht macht man das so in Stuttgart? Hauptsache mein Fluchtweg bleibt frei. Eh Mann, ich glaub`s ja wohl nicht! Ein Bierbecher! Auf meinem Fluchtweg!

 

„Hallo, Sie. Nehmen Sie den Becher da weg.“

 

„Hallo.“

 

„Nehmen Sie den Becher da weg!“ Warum reagiert der nicht? Jetzt habe ich ihm das schon zweimal freundlich aber bestimmt …

 

„Wie, meinen Sie mich?“ Die sieht ja lustig aus mit ihrer gelben Weste, wie ein gelber Engel. Wobei Engel. Könnte auch die Schwester von Karagounis sein oder wie dieser griechische …, was schnauzt die mich eigentlich so an? Becher? Was ist mit dem Becher?

 

Ich flipp gleich aus. Aber ich muss freundlich bleiben. OK, OK. Klar. Also: „Ihr Becher kann hier nicht stehen.“

 

„Mein Becher kann hier nicht stehen“ Das habe ich soweit verstanden „und warum nicht?“ Man die Alte nervt. Erst die Typen, die die ganze Zeit vor mir auf ihren Sitzplätzen stehen und die Sicht blockieren, dann setz´ ich mich um und jetzt das hier.

 

Jetzt drehe ich mich auch um, denn es scheint interessant zu werden, was sich hinter mir anbahnt. Ein Familienvater mit Frau und Kind. Ein schöner Fußballnachmittag mit Bier und ´ner Wurst.

 

„Das ist ein Fluchtweg und der muss frei bleiben!“ Karagounis Schwester erläutert die Rechtslage.

 

Papa grinst. „Der Becher?“ Papa nimmt einen Schluck, hält den Becher kurz in der Hand und stellt ihn dann gedankenverloren wieder zurück auf den Fluchtweg. Dort stört er am wenigsten, also mich jetzt – denkt Papa.

 

Karagounis Schwester explodiert.

 

„Wenn Sie nicht sofort den Becher da wegnehmen, dann …“ Kurze Pause. „kann ich sie auch aus dem Stadion entfernen lassen. Und wenn Sie sich beschweren wollen, hier ist meine Nummer!“ Tippt sich auf die Weste.

 

Mehrere Köpfe drehen sich nach hinten. STADIONVERBOT! Karagounis Schwester – die böse Schneekönigin. Papa grinst immer noch, wobei ihm jetzt das ganze doch etwas ungemütlich wird. Er schaut auf seine Frau, die schaut auf die Schneekönigin. Im Kopf der Schneekönigin beginnen die Eiszapfen zu tropfen.

 

Papa grinst. Meine Güte, ich will Fußball gucken. Erst quängelt der Kleine und jetzt diese Sirene hier. Wenn ich mich nicht bewege, kann das nicht falsch sein.

 

„Also gut, ich bin gleich wieder da.“ Besoffene Fußballidioten kann ich gerade brauchen. Das arme Kind. Und die Blonde, was guckt die mich so an? Sprech ich ausländisch oder was? „Fluchtweg freihalten!“ Kann doch nicht so schwer zu begreifen sein, aber wenn man die ganze Zeit Bier trinkt bei der Hitze … jetzt hol ich Günther, der wird ihm was erzählen. So habe ich mir den Job hier nicht vorgestellt. Und das alles für achtfünfzig die Stunde.

 

 

Die Beteiligten rätseln. Was wird Karagounis Schwester jetzt holen? Einen Strafzettel, einen Schlagstock, Pfefferspray und Handschellen, Ihren Bruder Karagounis? Oder kommt gleich Gerd Niersbach längst und verkündet unter Trommelwirbel ein Stadionverbot? Weder noch. Die Schneekönigin hat Ihren Blockbeauftragten (Günther?) im Schlepptau und petzt die üble Verfehlung: … Bierbecher.. Fluchtweg.. dreimal .. provoziert.

 

Der Mitfünfziger Günther setzt sich zum Papa, sie tauschen einige wenige Worte und entspannt verabschiedet er sich nach zwei Minuten per Handschlag vom Papa. Papa behält den Becher in der Hand. Karagounis Schneekönig patrolliert weiter auf ihren Fluchtweg und es zieht mir immer eiskalt über den Rücken, wenn sie sich von hinten annähert. Hoffentlich sieht sie nicht, dass ich mein ganzes Bonbonpapier einfach auf den Boden geworfen habe. Dann kann ich meine Dauerkarte knicken. Ich guck lieber mal nach vorne aufs Spielfeld und sehe, wie sich Braun durchtankt bis zum 16ner und knapp verzieht.

 

Eine Stunde ist fast rum und die Blauen liegen zweieins vorn. Baumgärtel macht´s zwei Minuten später auch nicht besser. Und die Regensburger erst recht nicht. Gefährlich bis zum Strafraum, dann zu umständlich und ungenau. Zum Glück. In der ersten Halbzeit wurden die Gäste noch gelobt für ihr „geordnetes Spielsystem“ und der Beweis für die Gefährlichkeit der Angreifer war bereits nach zehn Minuten erbracht. „Die sind stark!" – „aber alle drei.“  

 

Noch ´ne Viertelstunde und Regensburg verstärkt vor unserm Tor. Völlig unnötig es so spannend zu machen. Gelegenheiten gab es einige – meist aus der Distanz. Schon wieder Braun. Schuss. Vorbei. Nein. Pfosten – Tor!

Das war´s.

 

Nicht ganz. Schiedsrichter Schrievers wollte unbedingt noch in den Bericht. Also bitteschön: sechs gelbe Karten in der Nachspielzeit.

Ganz tolle Leistung, aber das kennen wir ja schon aus dem März, da waren es über die gesamte Spielzeit verteilt - zehn.

 

Zufrieden macht sich der Tross zum Parkplatz auf. „Ich komm mir vor wie in der Bundesliga.“ Höre ich hinter mir, als wir auf einen fliegenden Schalhändler treffen. Der bietet jedes Teil für fünf Euro an. Kickers, Stuttgart, Deutschland, Algerien. Algerien? Wer bitte kauft einen Fanschal von Algerien? Algerier. Einmal aus der Stadt und schon in der großen weiten Welt gelandet.

 

 

* Tiere gehen immer