Contenance

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38. Spieltag/ 10.05.2014

Stuttgarter Kickers vs. Rasenballsport Leipzig 1:3

Zuschauer: 5.800

0:1 Röttger (35.) 

0:2 Poulsen (41.)

0:3 Poulsen (67.)

1:3 Badiane (90.)

 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
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Ein letztes Mal für diese Spielzeit erklimmen wir den Stuttgarter Olymp.

 

Heute heißt es Abschied nehmen von der Sitzgelegenheit von gegenüber – der Haupttribüne. Aus der Perspektive des B-Blocks oft ein Ort der Stille und des  Verharrens. So schnell lässt sich der blaue Adel eben nicht aus der Ruhe bringen. Contenance! Ein simpler Blick durchs Wasserglas und jeder weiß: Perspektive kann täuschen. Im Grunde sind wir Blauen faire Sportsmänner und – frauen. Schwäbisch freundlich können wir jedem daher gereisten Anhänger zwei Reihen vor uns erklären, was er da gerade nicht gesehen haben will, welche Regelauslegung angebracht erscheint, warum ein Spieler zum Mond geschossen oder nur in den Himmel gehoben gehört und überhaupt, wer denn hier was von Fußball verstünde.

 

 

Der Schiedsrichter hat kein Interesse mit Außenstehenden in einen Meinungsaustausch zu treten. Das Spiel fordert seine Aufmerksamkeit. Was er davon hält, zeigt er an: Freistoß, Gelb, Rot und Abseits. Beim Abseits verlässt er sich auf seinen Assistenten, denn der steht besser und kann genau sehen, ob der Stürmer sein Bein oder Ohr vor dem Verteidiger dem gegnerischen Torbereich entgegenstreckt oder nicht. Soweit die Theorie. Vier Augen sehen mehr als zwei – heißt es, und manchmal sehen vier Augen sogar etwas, was 6.000 oder 8.000 Augen nicht sehen. In den dazugehörigen 3.000 bis 4.000 Köpfen beginnt es daraufhin zu rattern. Wie? Was? Hä? Abseits? Das Rattern wird stärker, wenn sich dieser Vorgang in kurzer Zeit wiederholt.  Die, die es auf der Haupttribüne im Kopf nicht mehr aushalten, eilen dann hinunter zum Geländer überm Spielertunnel, um aus kurzer, doch gesicherter Entfernung der jeweiligen Gefühlsregung Ausdruck zu verleihen. So manche drohende Rentnerfaust streckt sich dann dem Schiedsrichtergespann zur Halbzeit entgegen. Das ein oder andere Feuerzeug wollte schon der Werferhand in blauem Zorn entweichen. Doch wozu? Um gegen den aufgespannten Regenschirm zu prallen? Ach nee, nicht heute, nicht am letzten Spieltag. Contenance.

 

 

Die Betriebssportgemeinschaft des VEB Getränkekombinat „Rote Kuh Leipzig“ hatte genug von flügelwachstumsanregenden Zuckerbomben und genehmigte sich bereits vor Abschluss der Spielzeit einen gemeinsamen Ausflug nach Mallorca. Wer hat der kann und der nimmt auch keinen Mannschaftsbus sondern kommt mit ´nem Taxi oder wie? Wo war euer verdammter Kuhbus? Mehr Werbung geht doch nicht, als damit durch die Lande zu gondeln, ihn dann auf der Waldau zu parken, von mir fotografieren zu lassen und dann als schönsten Bus der Gästemannschaft prämiert zu sehen? He, war Spaß oder glaubt Ihr tatsächlich, ich hätte Euch – mit Kühen drauf! – gewinnen lassen?

 

Die Kickers wollten die BSG auch nicht gewinnen lassen, aber der Linienrichter wollte eben auch nicht, dass die Kickers permanent das Tor des Vizemeisters bestürmen. Der Vizemeister wollte sich nicht nachsagen lassen, sie hätten zu früh gefeiert. Soriano wollte nicht berühmt werden und vier Buden machen - zumindest nicht heute. Aber wir  - von gegenüber der Haupttribüne-  wir wollten heute trotzdem feiern: die Mannschaft, die geile Saison, den Trainer, das letzte Spiel vor einer langen, langen, langen, sehr langen Pause auf der Waldau und uns selbst natürlich. Und so ließen wir uns die Sommerlaune nicht verderben und sangen ein ums andere Mal:

 

„Erste Runde Bukarest, zweite Runde Rom, in Kopenhagen schellt das Telefon,  vielleicht nach Rotterdam, vielleicht nach Mailand,  vielleicht auch Teneriffa eine Woche Sandstrand! 

 

EUROPAPOKAL, EUROPAPOKAL, EUROPAPOKAL, EUROPAPOKAL!“  

Quelle: Kickers Magazin
Quelle: Kickers Magazin