Nachtgedanken

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15. Spieltag/ 30.10.2015

VfBalldings Bad Cannstatt vs F.C. Hansa Rostock  3 : 1

Zuschauer: 1.435

0:1 Andrist (59.)
1:1 Tashchy (62. HE)

2:1 Sama (68.)

3:1 Kiesewetter (93.) 

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Für den erwachsene Hansaanhänger stellt sich die Frage seiner Zuneigung irgendwann nicht mehr. Mitgegangen, infiziert, mitgehangen. Durch gute und schlechte Zeiten – ein Leben lang, immer in der Hoffnung, dass es nicht mehr tiefer gehen kann und sich alles doch noch zum Guten wendet. Natürlich hatte ich in den vergangenen Jahren immer wieder Zweifel, ob es nicht die letzte Spielzeit sein wird, in der dieser Club besteht. Die sogenannten Rahmenbedingungen werden nicht besser. Am Geld fehlt es sowieso, dazu in schöner Regelmäßigkeit Chaos in der Vereinsführung oder teuer bezahlte Ausschreitungen. Spieler kommen und gehen, aber irgendwie wird man das Gefühl nicht los, dass die Substanz langsam aber stetig aufgebraucht ist. Lichtblicke – wie die Rückkehr von Tobias Jänicke sind selten geworden. Die Spielzeiten geraten zu einem dauernden Abstiegskampf, egal in welcher Liga die Kogge dümpelt.

 

Mit was soll man einem heranwachsenden fußballbegeisterten Jungen die Hansa-Liebe vermitteln? Identifikationsfiguren – da muss ich selbst überlegen, wer mir da im Moment so einfällt. Schönes Stadion und fanatische Fans dürften auf Dauer zu wenig sein, wenn es sportlich dermaßen hakt. Deshalb wäre es umso wichtige gewesen, der Truppe aus der Vorstadt zu zeigen, wie ein Auswärtssieg geht. Eine Stunde war ich schlichtweg zufrieden mit dem was ich sah. Hansa mit geordnetem Spiel, Chancenplus und Übergewicht ließ den Gegner kaum gefährlich werden. Freistöße bestimmten das Geschehen, wurden aber beiderseits durch konsequente Abwehrreihen entschärft. Als Andrist verdient den Führungstreffer in den Maschen versenkt, jubelten wir erleichtert, aber nur kurz. Das Unheil nahm mit einem Handelfmeter seinen weiteren Lauf, noch ein Fehler im Kopfballduell und –  aber das war geschenkt – ein Konter in der Nachspielzeit.

 

Ein Blick auf Tabelle, Punktestand und die letzte halbe Stunde, in der Hansa das Spielgeschehen nicht mehr an sich reißen konnte, pegelten meinen Euphoriehaushalt wieder auf Normal-Null. Bedient, müde und irgendwie leer trollten wir uns Richtung Parkplatz, um dort auf jene zu treffen, die sich erst mal ein Bier auf den Schreck aufmachen. Nach stundenlangen Autofahrten durch die Nacht werden sie an der Küste keine Erfolgsnachrichten überbringen können. Gestählt im jahrelangen Existenzkampf prallen solche Niederlagen an ihnen ab, schließlich ist und bleibt Hansa der beste Club der Welt. Aufmunterung haben wir alle nötig, die wir uns in blau-weiß-rotem Schal eine Scheixxx-Saison nach der anderen reinziehen müssen. Mitgefühl kriegen nur die Kleinsten, die vermutlich irgendwie ahnen, dass Hansa so ´ne ganz komische und besondere Nummer ist, bei der man Erwartungen haben darf, aber vor allem mit Enttäuschungen leben lernen muss. Und so geben sie uns mit auf den Weg: „Der Kleine tut mir leid. Bleib immer Hansa-Fan! “ Große Augen schauen mich an. Ich nicke und versuche ihm das Gefühl von Normalität zu vermitteln und denke nur: irgendwann wird’s besser. Bestimmt. Nur nicht kleinkriegen lassen.


Nulleins
Nulleins