Sommer, Sonne und Besuch

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Spieltag 1/ 20.07.2013

Stuttgarter Kickers vs. Rot-Weiss Erfurt 0:1

Zuschauer 3.860

0:1 (HE 85.) Pfingsten-Reddig

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Eine Saisoneröffnung ist wie Neujahr. Da meinen einige, ab jetzt wird alles anders oder besser. Theoretisch könnte man sogar den Spitzenreiter der Liga geben. Abstieg und Krisen sind so weit weg, wie für ein Schulkind die Rente. Warum aber sollte ein Beinahe-Absteiger plötzlich zu einem Spitzenteam mutieren? Eine sylverstergeprägte Prognose vor dem Spiel: "Also ich rechne mit neun Punkte aus den ersten vier Spielen. Und Platz 7 bis 8 am Ende ist drin." fand ich dann schon sehr ambitioniert.

 

Sommerliche Temperaturen ist man auf der Waldau nicht gewohnt. Ohne Jacke gehts fast nie. Dachte sich auch Heinz, den ich kurz vor Spielbeginn stammplatzmäßig angezogen sah. Ja so eine Vier-Jahreszeiten-Jacke ist was Feines. Ich hatte ihn schon vermisst. Wer heute auf meinem Stammplatz stand weiß ich nicht, denn bei Besuch bin ich höflich und beuge mich den Wünschen der Mitbesucher nach optimaler Sicht und Erreichbarkeit der Örtlichkeiten Bierstand und Klo. Im Gegenzug möchte ich weder Witze erzählt bekommen, noch von den Vorzügen und Fähigkeiten der Bayern, Badenern oder anderer Stuttgarter Mannschaften überzeugt werden. Habe ich alles schon erlebt...

 

Vermutlich war es das extra aufgestellte Partyzelt hinter der Haupttribüne, das uns veranlasste vor Spielbeginn ein 12-Minuten-Bier genießen zu wollen. Der Genuss hielt sich in Grenzen, denn 8 der 12 Minuten gingen als Wartezeit drauf. Blieben noch 4 Minuten, in denen der Temperaturunterschied zwischen Getränk, Umgebung und vor allem Körper in Einklang zu bringen war. Im Stadion hatte Meister Röhrich sich den Luxus neuer Bierbecher mit Kickers-Insignien gegönnt. Bei den Preisen längst überfällig.

 

Wie es sich im internationalen Spitzenfußball gehört, wird kurz vor Spielbeginn der Rasen gewässert. Bei den Kickers beschränkte sich die Bewässerung auf eine Spielhälfte - warum auch immer? Für den Fall einer plötzlich hereinbrechenden Sonnenfinsternis wurde vorsorglich das Flutlicht eingeschaltet. Aller Anfang ist schwer.

 

Schwer in Ordnung fand ich auch die Gäste aus der Blumenstadt. Ein gut gefüllter Gästeblock, der mit Sambaklängen ordentlich Stimmung verbreitete. Blumen hatten sie nicht dabei. Nach 84 Minuten hatten wir die vergessenen Blumen schon längst verziehen und den Erfurtern auch den einen Punkt gegönnt. Ein geordneter Spielaufbau ohne Ambitionen zu eigenem Torabschluss wird hier gerne gesehen. Bei der Hitze hatten sich alle ganz dolle angestrengt und so sollten sie auch den verdienten Lohn mit nach Hause nehmen. Meinetwegen. 

 

Wenn schon die Gäste ohne Blumen anreisen, könnten wir Ihnen doch was mitgeben. Wie soll man es nennen? Hitzebedingte Großzügigkeit? Fabian Gerster meldete sich mehr oder eher weniger freiwillig und riss den Arm hoch. Blöd nur, dass der Ball ihn dabei traf - an der Hand. Das ist verboten, was auch Schiri Brand ohne im Regelwerk nachschauen zu müssen herausfand. Ein Erfurter Spieler, deren Namen an eine Mischung aus Feiertag und Gemüse erinnert, lies sich nur einmal bitten und bedankte sich mit einem herrlichen Strafstoß vor dem eigenen Fanblock. Irgendwann wird auch der angenehmste Besuch zu einer Belastung, dachte ich da. Ausgelaugt brachten Kickers ihre sonnengegerbten Körper noch einmal in Schwung, aber am Ende zogen die Blumenkinder frohlockend von dannen.

 

P.S. Es kann ja ins Stadion gehen wer will. Wer mir aber nach dem Spiel beichten muss, dass er bei jetzt vier Besuchen vier Niederlagen gesehen hat, den würde ich doch fast auf einen anderen Verein jenseits des Neckars hinweisen wollen. Ihr Glücksbringer!