Schimanski und Thanner

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28. Spieltag/ 07.03.2015

Stuttgarter Kickers vs. Meidericher Spielverein 02 e.V. Duisburg 4:2

Zuschauer: 8.650

1:0 Badiane (19.)

2:0 Braun (28.)

3:0 Calamita (55.)

4:0 Stein (59.)

4:1 Dausch (61.)

4:2 Dausch (77.)


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„Außer Spesen nix gewesen.“  Zwei Duisburger Fans gondeln mit der U7 talwärts dem Hauptbahnhof entgegen. Immerhin gab es im Verfolgerduell sechs Tore, jede Menge weitere Torchancen und insgesamt ein schön anzuschauendes Drittligaspiel.

 

So sah es auch ein etwa 9jähriger Mit-U-Bahn-Fahrer. Samt seiner Mutter  bildeten die beiden eine tausendköpfige Sängerschar, die in den G-Blöcken ein Fußballlied performten, wie man heute wohl sagt. Das ging in etwa so: „Wir lieben Fußball …die Kickers sind unser Verein … „. Manch´ eingefleischtem Bundesligaclub-Fan werden diese Zeilen nur schwer über die Lippen gekommen sein, aber der Großteil hatte mächtig Spaß am Stadionbesuch. Maultaschen-Burger hatte vorgesorgt und schwäbische Verpflegung bereit gehalten. 

 

Immer noch aufgedreht fummelt er an seiner blauen Kickers-Mütze. Ich kann ja mal fragen.

 

„Na, hat´s Dir gefallen?“

Spontane Antwort: „Ja, besonders die erste Halbzeit.“ Kurze Pause. Dann: „ Die zweite auch, da war es spannend.“

Korrekte Antwort. „Und kommste wieder?“

Kurzer Blick zur gütig lächelnden Mutter. „Ja bestimmt.“

Mutti lächelt weiter und denkt wahrscheinlich: „Träum´ weiter Junge. Wir waren nur hier, wegen deines Liedprojektes. Naja vielleicht wenn´s wärmer ist. Hat ihm ja offensichtlich gefallen.“  

 

Wie dem auch sei. In drei oder vier Jahren wird sich der Sängerknabe vielleicht an diesen Tag entsinnen und dann ist er alt genug und kann auch ohne Mutti wieder kommen. Vielleicht war es dieses Spiel, dass ihn von nun an und für immer mit den Blauen verbinden wird. Erinnern wir uns zurück, an unseren Moment des Fanwerdens, in dem das Geschehen uns berührt und zu einem Teil unseres Leben werden lässt. Männer, die Bierbecher oder Flaschen bei sich trugen und die wir im normalen Stadtbild nie zu Gesicht bekamen. Ihr Lebenszweck schien es zu sein, sich alle zwei Wochen am Sportgelände einzufinden, um nach dem Spiel wieder ungesehen in der Versenkung zu verschwinden. Oder der gefoulte Stürmer, den die Sanitäter vom Platz tragen müssen und als die Trage dicht an uns vorbeiwankt, können wir sein schmerzverzerrtes Gesicht nicht sehen, denn das bedeckt er mit seinen Händen. Die sind genauso von Erde und Rasen verschmutzt wie sein Trikot, Hose und Stutzen. Oder der bullige Verteidiger mit den zu engen Hosen und den – nach Auffassung unserer Eltern - eindeutig zu langen Haaren. Das plötzlich einsetzende Gebrüll von den Stehplätzen, von dem wir zunächst nur erahnten, welche Ursache es hatte? Eines wussten wir von nun an sicher: Das ist alles ganz anders, als das, was wir bislang für Fußball hielten und was uns die Fernsehonkels als schöne heile Fußballwelt vorgaukelten. Liebe und Hass, Bier und Bratwurst, Rasen und Erde, Regen und Kälte, Bekannte und Fremde, Tore und unglaublich vergeigte Chancen. Auf jeden Fall aber die Gewissheit:  Beim nächsten Spiel bin ich wieder hier.   

 

Plötzlich einsetzender Gesang reißt mich aus meinen Erinnerungen. „Wir sind Schimanski und Thanner. Wir sind sind Schimanski und Thanner!“ Schimanski und Thanner!“ Die beiden Duisburger waren mit einigen Kickers-Fans ins Plaudern gekommen, was dann irgendwie in einer Gesangseinlage endete.  Achja, der Fußball. Ist das nicht schön?