Nicht irgendwer, nicht irgendwas

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20. Spieltag/ 06.12.2014

Stuttgarter Kickers vs. SV Wehen Wiesbaden 2:1

Zuschauer: 2.155

1:0 Fennell (78.)

1:1 Benyamina (81. HE)

2:1 Engelbrecht (90 +2)

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Wenn weltweit über ein Tor der Stuttgarter Kickers berichtet wird, dann muss etwas ganz Besonderes passiert sein.

 

Dabei beschlich uns nach gespielten 90 Minuten das dumpfe Gefühl, in einer nie mehr endenden Unentschiedenschleife gelandet zu sein. Seit fünf Spieltagen kein Sieg mehr, aber auch keine Niederlage. Ein weiterer magerer Punkt, der uns der Tabellenspitze nicht näher bringen würde. Wie ein Tagesgeldkonto: man verliert zwar nicht(s), aber hinzu kommt auch fast nichts.

 

Dann reißt es plötzlich im Stadion an der Kreuzeiche jeden von den Sitzen, der nicht ohnehin lieber steht. Trainer und Betreuer laufen auf den Platz. Die gesamte Mannschaft ist freudetaumelnd in einem Knäuel vereint, auf den Rängen ist der Teufel los. Das Stadion explodiert förmlich. Ein Siegtreffer in der Nachspielzeit fühlt sich immer gut an. Wer jetzt erst hinzugekommen wäre, der hätte sich wohl in einer Aufstiegsfeier gewähnt: Zerrissen zwischen ausufernder Begeisterung und Ergriffenheit glänzten in so manchem Auge die Tränen der Freude. Selten haben wir einem Spieler einen Treffer so gegönnt, wie dieses Tor am 06. Dezember 2014 unserem Daniel Engelbrecht. 

 

Rückblende auf den 10. August 2013: Engelbrecht wird im Spiel gegen Holstein Kiel in der 53. Minute ein- und in der 85. Minute wieder ausgewechselt. Sein vorerst letztes Spiel für die Blauen.  Es ging ihm offensichtlich körperlich nicht gut- so viel stand fest - denn bereits zwei Wochen zuvor war er im Spiel gegen Rot-Weiß Erfurt auf dem Spielfeld zusammengebrochen. Wie schlimm es um ihn stand, kam dann erst langsam ans Licht.  Herzmuskelentzündung und chronische Herzrhythmus-störungen wurden diagnostiziert, die insgesamt vier Operationen nach sich zogen, bei denen ihm ein Defibrillator eingesetzt wurde.

 

Gesund werden, nur das konnte das Ziel sein oder? Leistungssport mit Herzschrittmacher? Kaum vorstellbar, aber Engel macht´s. Er übersteht diese unglaubliche Tortur. Zitat von ihm (Spiegel online): „Ich bin wirklich durch die Hölle gegangen und habe mehrmals gedacht, dass ich sterbe.“ Der Verein steht zu ihm, die Fans sowieso. Wann immer er im Stadion auftaucht und von den Fans erkannt wird: „Wie geht’s? Engel- alles Gute! Gute Besserung!“ 

 

Am 22. November 2014 gibt  er in der 87. Minute in Erfurt sein Comeback in der 3. Liga - als erster aktiver Fußballprofi in Deutschland mit einem Defibrillator. Zwei Wochen später kommt er gegen Wehen Wiesbaden in der 83. Spielminute aufs Feld und vollendet nach astreiner Vorbereitung Halimis in letzter Sekunde. Das Spiel wird nicht mehr angepfiffen. Irgendwann kann sich Engel dann aus der Jubel- und Gratulantenschar lösen, die Mauer am Fanblock erklimmen und eine Humba anstimmen, die bis nach Stuttgart zu hören gewesen sein muss. 

 

Unglaublich! Unglaublich gut! Unglaublich emotional! Unglaublich Kickers!